Der Kontrast zwischen Anspruch und Wirklichkeit
(Notitzen über Judith Sturms Werk von 2009)
Ernest W. Uthemann | Kurator | Autor | Ehem. Leiter Stadtgalerie SB | Wissenschaftlicher Mitarbeiter Saarlandmuseum – Saarbrücken | Deutschland
Judith Sturm beschäftigt sich, in einem zur Stilisierung tendierenden Verismus –, in ihrer Kunst mit ähnlichen Motiven und konvergierenden Themen, die um die Frage kreisen, was wir unseren Körpern (und damit unserem Leben) zumuten, wie wir mit dem Kontrast zwischen den Ansprüchen an unseren Leib und der Wirklichkeit seiner Vergänglichkeit umgehen.
Dabei versucht die Malerin durchaus, sich einem Ideal zu nähern, dem eines schlanken, biegsamen, wohlproportionierten Frauenkörpers – mit einem Wort: der Vorstellung vom „Model“. In den Posen der Frauen und in ihrer Zurschaustellung sowohl bloßer Haut wie modischer Accessoires kommt die Künstlerin dieser Sichtweise nahe, doch ähneln ihre Modelle eher den hübschen, aber „alltagsnahen“ Mädchen in Kaufhausprospekten als den „Superschönheiten“ à la Claudia Schiffer oder Heidi Klum. Auch die Bekleidung deutet mehr auf „Prêt-à-porter“ als auf „Haute Couture“. Vor allem dort, wo die dargestellten Frauen wie Anziehpüppchen aus Papier wirken, wird eine distanzierte, fast satirische Sicht auf die Rituale der Modewelt spürbar, eine pessimistische fast, wenn die mit Salzen untermischte Farbe des Inkarnats wie altersfleckig aussieht:
Das alte Vanitas-Motiv aus der Kunst der frühen Neuzeit vom „Tod und dem Mädchen“, von der Vergänglichkeit aller Schönheit klingt hier an. In der Fragmentierung des Leibes, im Fokus auf bestimmte Partien des weiblichen Körpers, auf Beine, Po und Brüste findet sich der kritische Hinweis auf eine zeitgenössische entpersonalisierte Erotik, die vom Individuum absieht und nur noch „stimulierende“ Details in den Blick nimmt.
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